Ästhetik und Material
Die gezeigten Bilder lassen sich
unabhängig vom jeweiligen Thema als
poetische Momentaufnahmen lesen.
Hier wird weniger eine Geschichte
erzählt als eine Atmosphäre einge-
fangen. Der historische Kontext- ein
bestimmter Ort zu einer bestimmten
Zeit- spielt nahezu keine Rolle.
Wesentlich ist dagegen das Licht,
welches die Szenerie beleuchtet und die
für dieses Licht typische Farbenpalette.
Bei der Farbe wird auf eine bildinterne
Stimmigkeit großen Wert gelegt.
Die im Fokus stehenden gegenständ-
lichen Bereiche sind oft von einem
großen Umraum umgeben, der weit-
gehend abstrakt ist und nicht näher
definiert wird. Diese sparsamen
Setzungen, die eine Ästhetik der Reduk-
tion pflegen,führen zu Bildern, die in
ihrer Stille wie ein Gegenentwurf zur
Flut medialer Reize wirken.
Die Ästhetik der Bilder wird durch ihre
besondere materielle Grundlage
unterstützt. Die verwendeten
Naturfarben bestehen ausschließlich
aus natürlichen und naturnahen
Zutaten. So ist das vorwiegend benutzte
Bindemittel ein Gemisch aus Bienen-
wachs, Leinöl und Kasein. Dazu kom-
men Erdpigmente wie farbiger Ocker
und Mineralpigmente, eine Mischung
aus natürlichen Substanzen, die bei teils
hohen Temperaturen gebrannt werden.
Eine Naturfarbe ist insgesamt offener
und beweglicher als etwa die der
Erdölchemie entstammende Acrylfarbe.
Während diese eine hermetische
Plastikhaut bildet, sorgt ein natürliches
Bindemittel für eine atmungsaktive
Oberfläche. Die Lichtreflexion einer
natürlichen Farbe, von Natur aus eine
Mischung unterschiedlicher Farbtöne,
ist vielschichtiger als die einer eindi-
mensionalen Chemiefarbe. So reagiert
die natürliche Farbe auf unterschied-
liches Tageslicht mit entsprechenden
Farbnuancen. Oft werden wie bei den
blaugrauen Tönen ausgesprochene
Lasurpigmente verwendet. Diese sind
nicht deckend und lassen den Unter-
grund durchscheinen. Eine solche Ober-
fläche wirkt durchlässiger. Raum kann
sich öffnen.
Da die verwendete Farbe lange Zeit
bearbeitbar bleibt, lassen sich Farb-
flächen abwaschen oder abkratzen. So
können Phänomene entstehen, die Ver-
witterung und Patina suggerieren.
Insofern wird das Thema Zeit nicht als
zeitgeschichtliches Zitat abgebildet,
sondern bleibt in den Spuren der
Entstehungsgeschichte des Bildes ables-
bar. In dieser Geschichte wird nicht
etwas zur Fülle aneinandergereiht,
sondern das als überflüssig
Empfundene entfernt.
Eine Poesie der Stille ist die Folge.
Lutz Goebel
MALEREI